Um das Jahr 2010 herum stellte eine Gruppe brasilianischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihr so einfaches wie praktikables System vor: die NOVA-Klassifikation. Damit werden Lebensmittel in vier Gruppen unterteilt – von frisch bzw. wenig verarbeitet bis stark verarbeitet. Das ist anders als alle bis dahin bekannten Systeme, die nur auf die Nährstoffe und Nährwerte (Kohlenhydrate inkl. Zucker, Fett, Eiweiß, Vitamine, Mineralstoffe, Kalorien, Salz) fokussiert sind, wie es beispielsweise beim Nutri-Score der Fall ist, der auf immer mehr Lebensmittel gedruckt wird. Mehr dazu und warum ich den Nutri-Score und den alleinigen Fokus auf die Nährwerte kritisch sehe, findest du im Buch “Gesunde Ernährung – Das NOVA-System in der Praxis”.
Laut dem Forscherteam von Carlos Monteiro hat die Lebensmittelindustrie vor allem ein Ziel: Sie stellt stark verarbeitete Produkte her, damit niemand mehr selbst mit ursprünglichen Zutaten backt und kocht. Die Lebensmittelindustrie versucht, so die brasilianischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die Menschen umzugewöhnen, indem sie die Ernährung vermeintlich einfacher, schneller und preiswerter macht. Für jedes selbstgebackene bzw. -gekochte Produkt hat die Industrie inzwischen Alternativen. Das fängt beim Frühstück an – statt Haferflocken gibt es Cornflakes –, geht über das Mittagessen – die Tütensuppe im Topf angerührt oder die Tiefkühlpizza in den Ofen geschoben – bis zum Abendessen: der abgepackte Salat inklusive Dressing zum ebenfalls abgepackten Brot. Dazwischen gibt es Kekse und/oder Schokolade als Snack und Softgetränke.
Damit diese Produkte – ich finde, Lebensmittel kann man dazu nicht mehr sagen – gut aussehen und schmecken und lange haltbar sind, enthalten sie zahlreiche Zusatzstoffe. In der EU sind derzeit (2021) 316 Lebensmittelzusatzstoffe zugelassen. Das sind u. a.: Farbstoffe, Geschmacksverstärker, Stabilisatoren, Süßstoffe. Außerdem setzt die Lebensmittelindustrie Hilfsstoffe wie Enzyme ein, die gar nicht auf dem Etikett erscheinen, wenn sie im Endprodukt nicht mehr (oder nur in geringen Mengen) enthalten sind. All diese Stoffe verwendet niemand in der heimischen Küche. Mehr dazu findest du im Buch “Gesunde Ernährung – Das NOVA-System in der Praxis”.
Jede*r kann also schon allein an der Zutatenliste erkennen, dass es sich um ein hochverarbeitetes Produkt handelt, also um ein Produkt der NOVA-Klasse #4. Apropos Zutatenliste: Alle stark verarbeiteten Produkte benötigen eine Verpackung, damit sie im Supermarkt hübsch präsentiert werden können. Warum das alles andere als nachhaltig ist, erfährst du ebenfalls im Buch “Gesunde Ernährung – Das NOVA-System in der Praxis”.
Eigentlich ist es ganz einfach: Wer sich gesund ernähren möchte, hat die freie Wahl und kann auf Produkte der NOVA-Klasse #4 (größtenteils) verzichten.[1]
[1] Mir helfen übrigens auch die App und die Website (https://world-de.openfoodfacts.org) von Open Food Facts bei der Auswahl der Lebensmittel nach NOVA. Open Food Facts ist eine Non-Profit-Organisation. Eine internationale Community hilft dabei, Informationen und Daten zu Lebensmitteln zu erfassen.
VikAlex
Natürlich ist die NOVA-Klassifikation (das NOVA-System) nicht vollkommen (wer oder was ist das schon?): Die Einfachheit dieses Systems birgt auch seine Nachteile. Bei Milch und Brot beispielsweise wird kein Unterschied in Sachen Verarbeitungsgrad gemacht. Beim Brot mag das daran liegen, dass es in Brasilien, wo NOVA herkommt, nicht so viele Brotsorten gibt wie in Deutschland. Und vielleicht ebenso wenig ein Nebeneinander von (mehr oder weniger traditionellen) Bäckereien, Industriebäckereien und Back-Discountern. Und auch bei der Milch gibt es viele verschiedene Verarbeitungsgrade (pasteurisiert, homogenisiert, ultrahocherhitzt, um nur ein paar zu nennen) – möglicherweise ist das in Brasilien ebenfalls anders.
Beim Zucker wird die NOVA-Klassifikation zu Recht kritisiert, da Zucker (beispielsweise Honig, Kristallzucker und Rohrohrzucker) als gering verarbeitetes Lebensmittel einen NOVA-Score von #2 hat. Damit kann der Eindruck entstehen, dass Zucker gesund ist und bedenkenlos genossen werden kann. Dabei wird den meisten von uns klar sein, dass Zucker ungesund und daher nur in kleinen Mengen zu verzehren ist – denn Zucker bleibt Zucker! Die Dosis macht das Gift.
Es ist also wichtig, die NOVA-Konzeption grundsätzlich verstanden zu haben. Mit einer kritischen Herangehensweise, in Verbindung mit Ernährungskompetenz, kann das brasilianische System an die europäischen Verhältnisse im Ganzen und schlussendlich auf jede Familie individuell angepasst werden – es gibt keine Verbote!
Mehr zu den theoretischen Grundlagen zu der NOVA-Konzeption und einer prinzipiellen gesunden Ernährung findest du in unserem „Gesunde Ernährung – Das Nova-System in der Praxis“.
Nachdem wir uns einige Zeit mit NOVA und gesunder Ernährung allgemein beschäftigt haben, fiel uns auf, dass NOVA an einigen Stellen nicht besonders praktisch und manchmal auch nicht ganz logisch ist – wie die Drei-Zutaten-Regel: Besteht ein Lebensmittel, zum Beispiel Gemüsebrühe, aus mehr als drei bis vier Zutaten, gilt es eigentlich bereits als verarbeitet und gehört somit zu Nova #3. Ein weiterer schwacher Punkt: NOVA zeigt nur die einzelnen Zutaten zum Zeitpunkt des Einkaufs auf – ein fertiges Gericht kann NOVA also nicht bewerten.
Also haben wir unsere Erfahrung in der Praxis und unser Wissen über gesunde Ernährung miteinander vereint und unser eigenes Scoring entwickelt: den VA-Score (VAS), benannt nach VikAlex®. VAS ist die Grundlage für all unsere Back- und Kochbücher.
Im Wesentlichen geht es bei unserer Weiterentwicklung der NOVA-Konzeption darum, dass wir den Anteil von zugesetztem Zucker berücksichtigen. Wir konzentrieren uns dabei bewusst ausschließlich auf den zugesetzten Zucker, da nach dem NOVA-Konzept der natürlicherweise in Obst und Gemüse enthaltene Zucker (meistens Fruchtzucker bzw. Fruktose) vollkommen unbedenklich ist. Wer sich naturnah ernährt, nimmt sich nicht mehr, als sein Körper braucht – das gilt insbesondere auch für die Süße. Außerdem ist der zugesetzte Zucker der einzige Zucker, dessen Gehalt tatsächlich messbar ist. Warum? Jede Frucht hat einen anderen Ursprung und Reifegrad, wodurch der Fruchtzuckergehalt nicht ganz genau bestimmt werden kann.
Die NOVA-Konzeption bietet eine gute Grundlage um sich naturnah zu ernähren – wir setzen uns mit diesem Scoring kritisch auseinander und haben es auf die europäischen Verhältnisse, bzw. unsere Familie angepasst.
Es geht darum, sich möglichst im grünen Bereich zu ernähren – also naturnah, regional und zuckerreduziert. Natürlich ist das nicht immer möglich. Insbesondere gibt es keine Anpassungen zum Beispiel bei Käse (siehe oben), dieser bleibt im gelben Bereich. Produkte mit Zusatzstoffen befinden sich in der orangen Kategorie – hier gilt es, sich mit Augenmaß zu ernähren.
[1] Das N steht für NOVA. Wenn also im Weiteren von #xy die Rede ist, steht das für den VikAlex©-Score.
[2] Das Siegel AOP (Appellation d’Origine Protégée) bzw. DOP (Denominazione d’Origine Protetta) steht im Käsehandel für kontrollierte und nachgewiesene Qualität. Dieses Siegel dürfen nur Käse tragen, die strenge Kriterien bezüglich der Herkunft der Milch, des Herstellungsortes und des Herstellungsprozesses erfüllen. Das wird durch die Siegel garantiert:
(https://okäse.de/pages/geschuetzte-ursprungssbezeichnung-aop-dop)
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